Die Erzählung vom starken Mann ist universell. Einer, der alles überblickt, das Chaos besiegt und Ordnung schafft – notfalls mit Gewalt. In der Realität heißt dieser Mann Donald Trump. In der Popkultur trägt er den Namen Wilson Fisk.
Was sie eint, ist nicht nur ihr Machtwille. Es ist ihr Verständnis von Öffentlichkeit, ihr Umgang mit Gegnern – und ihre Fähigkeit, sich selbst als alternativlos darzustellen. Wer das erkennt, sieht in Daredevil: Born Again nicht nur ein Comicdrama, sondern eine politische Fallstudie.
Probleme schaffen, um als Lösung zu erscheinen
Fisk destabilisiert Hell’s Kitchen gezielt – über kontrollierte Kriminalität, korrupte Beamte, orchestrierte Angst. Erst dadurch wird sein Angebot, die Stadt zu „retten“, überhaupt attraktiv.
Dasselbe Muster prägt Trumps Inszenierung: Die Krise ist nicht unabhängig von ihm, sie ist Teil seiner Erzählung. Ob „verlorene Stärke“, „offene Grenzen“ oder „verfallende Städte“ – die Bedrohung ist Grundlage seiner eigenen Legitimität. Ohne Krise kein Retter. Ohne Verfall kein Comeback.
Macht entsteht aus Erzählung
„Fake News“, „Witch Hunt“, „Deep State“ – Trumps politische Strategie funktioniert über Sprache. Wer die Begriffe besetzt, kontrolliert die Realität. Dabei geht es nicht um Fakten, sondern um Loyalität zur Erzählung.
Wilson Fisk nutzt dieses Prinzip in Reinform. In Born Again wird aus Daredevil ein gefährlicher Krimineller – nicht weil sich dieser verändert, sondern weil Fisk die Geschichte umschreibt. Mit Medien, mit Macht, mit Gewalt.
Der Gegner muss nicht widerlegt werden – er muss vernichtet werden
Dämonisierung ist keine Begleiterscheinung autoritärer Machtstrategien. Sie ist ihr Kern. Der politische Gegner wird nicht als legitimer Kontrahent betrachtet, sondern als Bedrohung für das ganze System.
Fisk nennt Daredevil eine Gefahr für die öffentliche Ordnung. Trump spricht von inneren Feinden, von „Ratten“, von „Invasoren“. Die Sprache entgrenzt die politische Auseinandersetzung – und schafft Raum für Eskalation. Wer widerspricht, gehört nicht mehr zur Debatte, sondern zum Feindbild.
Der Mythos des Unbesiegbaren
Unantastbarkeit ist ein Teil der Marke. Fisk wirkt übermächtig – nicht, weil er unbesiegbar ist, sondern weil er keine Schwäche zeigt. Die öffentliche Figur duldet keinen Zweifel. Fehler sind Verrat. Fragen sind Angriffe.
Trumps Selbstbild folgt demselben Muster. Klagen, Skandale, Niederlagen – nichts davon kratzt an der Oberfläche, weil sie Teil der Erzählung werden: Alle sind gegen mich, weil ich die Wahrheit sage. Opferstatus und Allmacht verschmelzen zur politischen Superkraft.
Popkultur als Frühwarnsystem
Daredevil: Born Again ist kein politisches Manifest. Aber es ist eine Geschichte über Macht, Manipulation und Kontrolle – erzählt in einer Sprache, die jeder versteht. Dass sich die Mechanismen in der Realität spiegeln, ist kein Zufall. Popkultur abstrahiert Muster – und macht sie sichtbar.
Wer Wilson Fisk versteht, versteht auch, warum Trump funktioniert. Und warum beide nur dann verlieren, wenn man nicht auf ihre Narrative hereinfällt.
Fazit
Ob Fiktion oder Realität: Figuren wie Wilson Fisk und Donald Trump leben nicht von Wahrheit, sondern von Kontrolle. Sie beherrschen die Erzählung, formen die Wahrnehmung – und machen sich selbst zur einzigen Lösung eines Problems, das sie miterschaffen haben.
Wer ihre Strategien erkennt, erkennt auch die Gefahr dahinter: Wenn Narrative mächtiger werden als Tatsachen, wird aus Popkultur plötzlich Politik. Und aus Unterhaltung eine Warnung.